Archiv

  • Fluchtwege
    Bd. 52 Nr. 52 (2024)

    Nach Immanuel Kant soll Aufklärung „der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“ sein. Diese Unmündigkeit sah Kant in dem „Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“ und „Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen“. Die jüngsten linken antisemitischen Kundgebungen an der Freien Universität Berlin kann man nach all der Aufklärung über die Judenverfolgung und den millionenfachen nationalsozialistischen Judenmord nur als „Mangel des Verstandes“ klassifizieren. Die Pro-Hamas-Demonstranten an der Freien Universität Berlin bezeichnen sich als Kommunisten. Es hat sich gezeigt, dass eine Diskussion mit diesen neuen Kommunisten ebenso unmöglich ist, wie sie es in den 1950er Jahren mit den Altkommunisten war. Letztere haben damals stalinistischen Mord und Totschlag gerechtfertigt und ihre heutigen studentischen Wiedergänger rechtfertigen jetzt Hamas-Massaker. Alle Studierenden und Beschäftigten der Freien Universität Berlin sind aufgerufen, deren Gründungsideen zu verteidigen. Neben Veritas, Justitia und Libertas gehörte dazu die Ablehnung des Antisemitismus.

  • Nachträge
    Bd. 51 Nr. 51 (2023)

    Nachträge zum rasenden Gang des Weltgeschehens können dazu beitragen Erinnerungslücken zu schließen oder Verheimlichtes offen zu legen. Nachträge können Zusammenhänge erhellen, die in wissenschaftlichen Darstellungen nicht hinreichend beachtet worden sind. Häufig geht es dabei um halbe oder ganze Fehlwahrnehmungen, die zu überdenken sind, mitunter aber auch um „Fakenews“ oder Überbewertungen. Das wird nicht selten von den dadurch Betroffenen als nachtragend empfunden. Geschichtserzählungen erfordern jedoch immer wieder Nachträge, etwa wenn einige Zeit ins Land gegangen ist und Weltsichten sich verändert haben oder neue Fakten ältere Erkenntnisse fragwürdig erscheinen lassen. Auch mühen sich immer wieder Zeitgeistströmungen damit ab, durch Nachträge gegen ihnen nicht genehmen Gegebenheiten vorzugehen. Dabei wiegt das Rechthaben wollen mehr als die widersprechenden Tatsachen oder die Akzeptanz von andersdenkenden Mehr- und Minderheiten. An die Stelle des begründeten Nachtrags tritt dann das Nachtreten, ein derzeit weit verbreitetes Phänomen in diversen gesellschaftlichen Bereichen.

  • Grenzenlos
    Bd. 50 Nr. Nr. 50 (2023)

    Nach dem Ende des Sowjetreiches und dem Fall des Eisernen Vorhangs sah es so aus, als hätte ein friedliches und grenzenloses Europa den Ost-West-Konflikt ein für alle Mal hinter sich gelassen. Deutschland, so glaubte man, sei erstmals seit der Gründung des Deutschen Reiches nur noch von Freunden umgeben und die europäische Völkergemeinschaft habe aus zwei Weltkriegen und dem Kalten Krieg die Konsequenz des „nie wieder“ gezogen. Die Möglichkeit eines Krieges auf europäischem Boden war derart unvorstellbar, dass sich Verteidigungsministerium und Generalität vorwiegend mit Abrüstungsfragen und dem Rückbau der Bundeswehr befassten. Die Pazifizierung des nationalen Selbstbewusstseins war schon lange derart fortgeschritten, dass jedweder Hinweis auf mögliche Bedrohungen von außen und die damit verbundenen Anmahnungen in Hinblick auf die Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr, als reaktionärer Bellizismus abgetan wurden. Putin hat die Friedliebenden eines Schlechteren belehrt.

  • Nachlese
    Bd. 49 Nr. 49 (2022)

    Bei der Nachlese durften in alten Zeiten Bedürftige nach der Weinlese die Trauben abernten, die hängen geblieben waren. Als Nachlese bringen Fernsehsendungen heute am Ende des Jahres Ausschnitte aus dem Besten, was nach Ansicht der dort Verantwortlichen die vergangenen zwölf Monate zu bieten hatten. Die Geschmäcker gehen dabei anders als bei den Trauben weit auseinander. In Österreich gibt das ORF eine eigene Monatszeitung namens Nachlese heraus, die neben Berichten über alle möglichen Sparten des Fernsehens eine monatliche Rezeptsammlung unter dem Titel „Frisch gekocht ist halb gewonnen“ enthält. Diese ZdF-Ausgabe bietet eine Nachlese zu einigen, weit zurückliegenden, historischen Ereignissen sowie zu aktuellen Ereignissen auf diversen Felder der jüngeren Gegenwartsgeschichte. Wer Kochrezepte erwartet, wird jedoch nicht bedient. Von allem anderen in dieser Ausgabe bleibt aber hoffentlich etwas hängen.

  • Erinnerungswert
    Bd. 48 Nr. 48 (2021)

    Was ist erinnerungswürdig und was der Erinnerungswert? Durch die sich ausbreitende Cancel-Culture der Allwissenden verschieben sich allenthalben die Gewichte auf der Waagschale der Wertschätzungen. In den meisten Ostblockstaaten verschwanden nach der Befreiung vom Kommunismus die Statuen der Heroen dieser Weltbeglückungsideologie, viele Straßen und Plätze wurden nach den Systemwechseln umbenannt. In Ost-Berlin traf es den Lenin-Platz und die darauf platzierte gigantische Statue des Bolschewistenführers. In Tiraspol hingegen steht sein Monument unberührt vor dem Parlamentsgebäude. Seinem Schöpfer, dem Präsidenten der sowjetischen Kunstakademie, Nikoilaj Tomsky, war auch der ziemlich ähnlich geratene Lenin zu verdanken, der 1970 in Ost-Berlin aufgestellt wurde und 1991 von dort verschwinden mußte. Um den Wert der Erinnerung geht es in dieser ZdF-Ausgabe.

  • ZdF Nr. 47/2021
    Bd. 47 Nr. 47 (2021)

    Keine Aufgabe kann eine schwere Aufgabe sein. Auch für die ersten Frauen, die im Ministerium für Staatssicherheit dienten, war keine Aufgabe ihrer Position mit Erschwernissen verbunden. In einzelnen Fällen kam es auch zur Aufgabe. Die meisten der wenigen dort beschäftigten Staatssicherheitsfrauen haben jedoch aus Überzeugung durchgehalten und um ihre Stellung gekämpft. Keine Aufgabe des Glaubens an die kommunistische Sache, selbst nach Verfolgung oder Inhaftierung durch die eigenen Leute, war eine schwer zu bewältigende Angelegenheit. Keine Aufgabe war da eine schwere Aufgabe. Darum und vieles mehr geht es in dieser ZdF-Ausgabe.

  • ZdF Nr. 46/2020
    Bd. 46 Nr. 46 (2020)

    Rücksichtnahme ist nicht jedermanns Sache, wie man in den vergangenen Monaten im öffentlichen Verkehr häufig feststellen konnte. Als Rücksichtnehmen im Wortsinn kann auch die Beschäftigung mit vergangenen Ereignissen und Gestalten verstanden werden, auf die Rücksicht zu nehmen ist. Bei solchen historischen Rücksichtnahmen ist vielen heutigen Zeitgenossen die Berücksichtigung von Tatsachen nur dann genehm, wenn sie zur Bestätigung ihrer vorgefassten Meinungen beitragen. Ohne jede Rücksicht wird dabei häufig ignoriert, was nicht ins Weltbild passt. Mit Hilfe von „alternativen Fakten“ lassen sich nach eigenem Gutdünken alle Schräglagen so geraderücken, dass Glaubenswillige selbst Unglaubwürdigstes für bare Münze nehmen. Der Schwerpunkt dieser ZdF-Ausgabe ist der Rücksichtnahme auf einige offene Fragen der jüngeren Zeit- und DDR-Geschichte gewidmet.

     

  • ZdF Nr. 45/2020
    Bd. 45 Nr. 45 (2020)

    Die Allianz der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs zerfiel in kürzester Zeit nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Streitkräfte. Zu unterschiedlich waren ihre Vorstellungen darüber, welche politischen Perspek-tiven für Deutschland und Europa zum Tragen kommen sollten. Die Sowjetunion beabsichtigte, in den von der Roten Armee befreiten und besetzten Ländern Gesellschaftsordnungen nach ihrem Vorbild zu etablieren. Die Westalliierten favorisierten in ihrem Einflußgebiet die Etablierung von bür-gerlich-parlamentarischen Demokratien. Am 5. Juli 1945 äußerte sich Konrad Adenauer „streng vertraulich“ in einem Schreiben an einen Auslands-korrespondenten in der Schweiz besorgt über die Entwicklung in Deutschland. „Russland läßt einen Eisernen Vorhang herunter“, den Westalliierten fehle die Einsicht, was „Restdeutschland für Europa“ und Amerika bedeute. Doch der Eiserne Vorhang sollte alsbald nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa in zwei Lager teilen, und den bis dahin existierenden mitteleuropäischen Kulturraum in Abgrenzungszonen auflösen. In dieser ZdF Ausgabe beschreiben Autorinnen und Autoren aus den ehemaligen sozialistischen Staaten die Entstehung und den Ausbau des Eisernen Vorhangs in ihren Ländern.

  • ZdF Nr. 44/2019
    Bd. 44 Nr. 44 (2019)

    Der Mauerfall ist nun ebenso so lange Vergangenheit wie 1975 das Ende des Zweiten Weltkriegs. Wer damals unter 30 war und den Alten nicht traute, mag sich erinnern in welche Ferne 1975 das Kriegsende gerückt war und welche Themen auf der Erregungsskala ganz oben standen. Wer weiß heute noch, warum es in der Bundesrepublik Berufsverbote gab und nicht nur in der DDR. Kein Wunder also, daß für heute unter 30-Jährigen der Mauerfall trotz medialer Präsenz ein Ereignis aus grauer Vorzeit ist. Die meisten Zeitgenossen der großen Umwälzung von 1989 erlebten die weitgehend friedliche Überwindung der europäischen und deut-schen Teilung als persönliche und weltgeschichtliche Zäsur, die für Osteuropas eine Befreiung aus der kommunistischen Vormundschaft nach sich zog und Prag wieder in die Mitte Europas rückte. Mit der Zäsur von 1989/90 endete nicht nur die Nachkriegszeit, sondern auch der von Lenin ausgerufene Weltbürgerkrieg. Der Schwerpunkt dieser Ausgabe widmet sich der Vorgeschichte und den Folgen der friedlichen Revolution.

  • ZdF Nr. 43/2019
    Bd. 43 Nr. 43 (2019)

    Der Wert des Erinnerungsvermögens läßt sich schwer bemessen. Manchen bedeutet es viel, andere möchten lieber nicht an Vergangenes erinnert werden. Nach dem Untergang politischer Systeme plagen sich Angehörige der Erlebnisgeneration in der Regel mit Erinnerungsdilemmata herum. Der Blick zurück im Zorn speist sich aus anderen Quellen als nostalgische Reminiszenzen an verschwundene Lebenswelten. Die Erinnerungsvermögen ehemaliger politischer DDR-Häftlinge sind mit schweren Hypotheken belastet. Ehemalige Systemträger lamentieren noch immer über das ihnen nach der Wiedervereinigung angetane Unrecht, während die Zufriedenheitsskala der 1990 beitrittswilligen Bevölkerungsmehrheit sich im grünen Bereich bewegt. Der Schwerpunkt dieser ZdF-Ausgabe befaßt sich mit umstrittenen Feldern der Erinnerungslandschaft.

  • ZdF Nr. 42/2018
    Bd. 42 Nr. 42 (2018)

    Der Schwerpunkt dieser ZdF-Ausgabe befasst sich mit den Folgen des kommunistischen Umsturzes von 1917 und der Staatsgewalt, die hernach den sowjetischen Machthabern zur zügellosen Unterdrückung aller Andersdenkenden oder Andersgläubigen diente. Einmal an der Macht, plagte die Kommunisten die ständige Furcht vor einem Umsturz durch die Konterrevolution. Sie schufen sich gigantische Sicherheitsapparate als Organe ihrer Staatsgewalt, die auf vielfältige Weise Angst und Schrecken unter den Beherrschten zu verbreiten wussten. Angefangen vom Massenmord und Totschlag bis zu den in späteren Zeiten angewandten differenzierteren Methoden der Bedrohung, Überwachung, Einschüchterung und psychischen Zersetzung von Andersdenkenden. Einen Umsturz der gesellschaftlichen Verhältnisse erträumten sich auch viele 68er vor 50 Jahren. Als teilnehmende Beobachter bewegten sich in ihren Reihen wie Fische im Wasser auch einige Agenten des MfS. Das wird beim aktuellen Jubiläumfeiern gerne vergessen. Manche dieser Verstellungskünstler dienten zugleich auch der westdeutschen Staatsmacht, deren Verfassungsschutz in der damaligen Zeit die umstürzlerischeren Reden Rudi Dutschkes zu entschlüsseln suchte. Auch das gehört zum Schwerpunkt Umsturz und Staatgewalt.

    Die Zeitschrift kann auf der Internetseite des Forschungsverbundes (https://www.fu-berlin.de/sites/fsed/zdf/index.html) erworben werden.

  • ZdF Nr. 41/2017
    Bd. 41 Nr. 41 (2017)

    Die DDR sei, schrieb 1966 der österreichische Kommunist Ernst Fischer, „nicht das Ergebnis einer eigenen, sondern der russischen Revolution mit nahezu vierzigjähriger Verspätung. Die neuen Produktionsverhältnisse (Enteignung der Gutsbesitzer, der Industrie- und Bankherrn) kamen von außen, durch den Sieg der Sowjetarmee, und mit ihnen zugleich der Überbau mitsamt einer wohlgeordneten Ideologie, die als herrschende zu gelten hatte. Vom Überbau her also war der Aufbau und die Festigung der Basis gleichsam nachzuholen, woraus sich in mancher Hinsicht eine verkehrte Welt mit ungemein schwierigen Problem ergab. Durch das Bewusstsein einer kleinen Minderheit wurde das gesellschaftliche Sein bestimmt. Zerstörte Betriebe mussten instand gesetzt, neue Industrien errichtet, die gesunkene Produktion gehoben, und vor allem, feindselige, misstrauische oder doch abseitsstehende Massen gewonnen werden.“

    Die in der DDR bis 1989 herrschenden Kommunisten waren sich bewusst, was sie der russischen Oktoberrevolution zu verdanken hatten. Sie feierten alljährlich deren Jahrestage und ganz besonders die runden davon. Die 1978 erschienene Geschichte der SED feierte die „große Sozialistische Oktoberrevolution“ als ersten Schritt „in ein Zeitalter, in dem die Ausbeutung in jeglicher Form beseitigt ist, in dem es keine Unterdrückung des Menschen durch den Menschen und keine Kriege mehr gibt. Sie eröffnet eine neue Ära in der Geschichte: die Epoche des Übergangs der Menschheit vom Kapitalismus zum Sozialismus.“ Seit der „großen Proletarischen Oktoberrevolution“ sei die Welt in zwei Lager gespalten, „in das Lager des objektiv zum Untergang verurteilten Kapitalismus und in das Lager des aufsteigenden Sozialismus“.

    Im Vorfeld des 100. Jahrestages der Oktoberrevolution füllen sich die Schaufenster der Buchläden mit Neuerscheinungen zu verschiedenen historischen Aspekten der bolschewistischen Machtergreifung von 1917 und deren schlimmen Folgen. Oktoberrevolutionsfeste sind Vergangenheit, die Glut des bolschewistischen Revolutionsfeuers ist erloschen. In dieser ZdF-Ausgabe geht es um das Oktoberrevolutionsfieber, das Zeitgenossen unmittelbar nach dem Ereignis erfasste, aber auch noch Jahrzehnte später unter Nachgeborenen ausbrach, wenn die Zeitläufe dafür Inkubationsräume boten.

  • ZdF Nr. 40/2016
    Bd. 40 Nr. 40 (2016)

    Mit dem Wandel der Zeit wandeln sich auch die Formen des Verkehrs der Menschen und Waren. Unter dem Gesichtspunkt der Verkehrsformen betrachtet, offenbaren die gesellschaftlichen Verhältnisse ihre Eigenarten, Zwänge aber auch die Grenzen der individuellen Freiheit. Die Verkehrsformen einer überkommenen Epoche entwickeln sich nach dem Verständnis der kommunistischen Überväter Marx und Engels zwangsläufig zu einer Fessel der Produktivkräfte. Deswegen sei es unausweichlich, „daß an die Stelle der früheren, zur Fessel gewordenen Verkehrsform“ eine „neue, den entwickelteren Produktivkräften und damit der fortgeschrittenen Art der Selbstbetätigung der Individuen entsprechende gesetzt wird“. Am Ende dieser Entwicklung werde der Kommunismus, so die Verheißung der beiden Futurologen in ihrer „Deutschen Ideologie“, alle bisherigen Produktions- und Verkehrsverhältnisse umwälzen, ihrer Naturwüchsigkeit entkleiden „und der Macht der vereinigten Individuen“ unterwerfen. Mit sehr unterschiedlichen Verkehrsformen und der Macht beschäftigt sich diese ZdF-Ausgabe.

  • ZdF Nr. 39/2016
    Bd. 39 Nr. 39 (2016)

    Die Staatskunst galt dem alten Griechen Platon als das ideale staatsmännische Handeln zum Wohle aller. Die Staatskunst war gleichsam die höchste und verantwortungsvollste aller Künste, die alles gesellschaftlich Produktive zu einem großen Ganzen zusammenwebt. Das kommunistische Staatswesen erwartete von den Künsten die Unterordnung unter die Ideologie, Kunst sollte im Sinne der Herrschenden parteilich sein. Ergriffen Künstler aber Partei gegen die herrschenden Ordnungsvorstellungen, bekamen sie die Staatsgewalt zu spüren. Das sozialistische SED-Regime erwartete von seinen Staatskünstlern „schöpferisches Handeln“ zum Wohle der SED-Diktatur. Diese Staatskunst hatte gegenüber den Unterdrückten und Entrechteten im eigenen Lande verantwortungslos zu bleiben. Für sie existierte Unrecht nur in der Vergangenheit oder im kapitalistischen Ausland. Die Schwerpunktbeiträge dieser ZdF-Ausgabe widmen sich der Staatskunst im doppelten Wortsinn.

  • ZdF Nr. 38/2015
    Bd. 38 Nr. 38 (2015)

    Man werde die Bundesrepublik überholen ohne sie einzuholen, lautete Walter Ulbrichts listiges Versprechen aus dem Jahr 1959. Ein Jahr zuvor, auf dem V. SED-Parteitag hatte er den großen Sprung der DDR nach vorn ganz konkret angekündigt: „Wir werden diese geschichtliche Aufgabe erfüllen, wenn es uns gelingt, das Tempo des wirtschaftlichen Aufschwunges zu beschleunigen und in den letzten Jahren des zweiten Fünfjahrplanes, das heißt 1959 und '60 die Produktion auf einigen Gebieten über den Plan hinaus zu steigern. Es ist durchaus möglich, dass die Lebenshaltung in der Deutschen Demokratischen Republik die Lebenshaltung in Westdeutschland schon 1961 übertrifft.“ Doch statt eines Aufschwungs kam es zum kontinuierlichen Niedergang der sozialistischen Planwirtschaft. Deren Zustand und Folgen widmet sich der Schwerpunkt dieser ZdF-Ausgabe.

  • ZdF Nr. 37/2015
    Bd. 37 Nr. 37 (2015)

    Von dem im vergangenen Jahr verstorbenen Schweizer Schriftsteller und Übersetzer Urs Widmer stammt der kluge Hinweis, „das Problem des gelebten Lebens ist ja, dass es so strukturlos ist, und Literatur macht nichts anderes, als das gelebte Leben in Form zu bringen“. Auch Geschichtsschreibung versucht, wenn sie es ernst mit ihrem Gegenstand meint, das gelebte Leben in Form zu bringen, seine historische Umwelt zu beschreiben und das Geschehene und Erlebte in einen möglichst konsistent strukturierten Erklärungskontext zu fügen. Wenn sie es denn ernst mit ihrem Gegenstand meint, vermittelt Geschichtsschreibung den Nachgeborenen, was ihre Vorfahren aus ihrem Leben gemacht haben, warum sie es so und nicht anders gelebt haben und welche Konsequenzen ihr Tun oder Lassen für sie selbst, für das Leben anderer, für die Gesellschaft im Kleinen und im Großen zeitigte. Von alters her gibt es aber auch Geschichtsschreiber, die sich der Vergangenheit bedienen, um die herrschenden Verhältnisse und Zustände zu legitimieren, die das Geschehene mit dem Tunnelblick ihrer Weltanschauungen interpretieren und wenn es sein muss auch so umdeuten, dass es für ihr jeweiliges politisches Anliegen nutzbar wird.

  • ZdF Nr. 36/2014
    Bd. 36 Nr. 36 (2014)

    Die Kunst der Filmleute, aus einer guten Idee einen gelungenen Bilderreigen zu machen, ist mit schwerer Arbeit verbunden. Bevor das Endprodukt so leichthin über die Leinwand flimmert, haben in langen und harten Dreharbeiten Regisseure, Kameraleute, Schauspieler, Maskenbildner, Beleuchter, Tonkünstler und Komparsen das Rohmaterial eingespielt, das uns nach weiteren Bearbeitungsschritten schließlich zusammengeschnitten als scheinbar stimmiger Erzählung vor Augen tritt und verzaubert. Der Schwerpunkt dieser ZdF-Ausgabe kreist um Dreh-Arbeiten, um Dreharbeiten als Filmkunst sowie um die weitverbreitete Lebenskunst, sich nach dem Wind zu drehen, wenn dessen Richtung sich geändert hat. Im Film wie in weltanschaulichen Propagandafeldzügen kommt der Produktion von Illusionen und Imaginationen erhebliche Bedeutung zu. Es muss glaubhaft erscheinen, was sich bei genauerer Betrachtung als völlig irreal herausstellt. Die Wissenschaften zeigten hingegen oft das umgekehrte Ergebnis, indem sie scheinbare Gewissheiten als Illusionen entzaubern.

  • ZdF Nr. 35/2014
    Bd. 35 Nr. 35 (2014)

    Der Einklang von Macht und Musik zieht sich ebenso durch die Geschichte wie die Dissonanzen zwischen Machthabern und ihnen nicht ergebenen Musikmachern. Diktatoren lassen sich gerne von Ton- und Taktstockmeistern umschmeicheln. Schon aus uralten Zeiten sind zahllose Lobgesänge auf üble Herrscher und Menschenschinder überliefert. Doch immer auch gab es Gegenstimmen, brachten Volkes Lieder den Unmut über Unterdrückung und Entmündigung unter die Leute, die es hören wollten. Es waren manchmal nur wenige, mitunter kleinste Kreise, die den unangepassten Klängen und Stimmen ihr Ohr liehen und verstanden, was gemeint war.

    Über die Rolle von Schriftstellern, Malern und bildenden Künstlern, die sich dem National- und Realsozialismus angedient haben, ist viel geschrieben und geforscht worden. Über das Verhältnis zwischen Macht- und Klangwelten wissen wir noch wenig. Musik kann Zustimmung zu den herrschenden Verhältnissen auch ohne Worte in Raum und Zeit tragen. Es musste nicht immer dröhnen, was da zum Wohlgefallen von Weltanschauungskriegern komponiert und gespielt wurde. Manche von ihnen goutierten auch die leisen, romantischen Töne, Flöten und Schalmeien oder das leise Spinett.

  • ZdF Nr. 34/2013
    Bd. 34 Nr. 34 (2013)

    Unter der Oberfläche sieht manches oft ganz anders aus, als der Anschein glauben machen möchte. Verborgene Tiefen und Untiefen, Klippen und der Sog von Unterströmen können jede für sich Folgen haben. Schlüsse und Fehlschlüsse liegen beim Blick auf eine glatte Oberfläche oft nahe beieinander. Im Sinn der Mathematik ist die Fläche eine zweidimensionale Teilmenge des dreidimensionalen Raums. Never judge a book by its cover. In dieser Ausgabe geht es um den Ungeist im Duden, um die Zeitgeisthörigkeit der Historiker, um die Farbe Blau aus Spanien im Zweiten Weltkrieg, um Hintergründe einer Verhaftungswelle nach diesem Krieg, um schmutzige MfS-Geschäfte mit Gold und Spitzeln, um das Ende der SED in Wien und um zwei Amtschimmel in der Stasiunterlagenbehörde, außerdem natürlich um Bücher über den Kommunismus vor, während und nach der DDR.

  • ZdF Nr. 33/2013
    Bd. 33 Nr. 33 (2013)

    Das Haftwesen ist unter den Bedingungen der Willkürherrschaft in der Tat ein Unwesen. Mit Haftwesen könnten im Wortsinne freilich auch jene armen Wesen gemeint sein, die in Haft genommen worden sind. Was in Charkow 1940 mit gefangenen polnischen Offizieren geschah, wurde von der sowjetischen Geschichtsschreibung bis zuletzt beschwiegen und wird im heutigen Russland meist nur widerwillig zur Kenntnis genommen. Wer aber waren die Täter auf der sowjetischen Seite, die mehrere tausend Gefangene zum Teil eigenhändig ermordet haben und wie wurden diese Massenverwaltungsverbrechen ausgeführt und hernach vertuscht? Nach der Niederschlagung des NS-Regimes standen die Gefängnisse in der SBZ zunächst unter sowjetischer Verantwortung. Doch deutsche Dienststellen lernten rasch von der Sowjetunion, wie das sozialistische Haftwesen für Andersdenkende zu organisieren war.

  • ZdF Nr. 32/2012
    Bd. 32 Nr. 32 (2012)

    Machtfragen sind immer auch Gewaltfragen. Eine Gewaltenteilung lehnte die SED ab. Augenwischerei sei dies, die Unterdrückung der Werktätigen durch die Bourgeoisie werde dadurch nicht beseitigt, sondern nur verschleiert. Die schöne neue Arbeiter- und Bauernwelt des Sozialismus wurde von der Sowjetunion in Deutschland als DDR auf den Boden der mitteleuropäischen Tatsachen gesetzt. Das geschah von Anfang an mit Gewalt und Terror gegen Anders­denkende. Am Ende wähnte sich die DDR, stolz sein zu können, da sie weltweit diplomatische Beziehungen unterhielt. Zu einem welt­offenen Land ist sie dennoch nie geworden. Nicht einmal die ausländischen Diplomaten wurden in der DDR nach den Regeln der Gastfreundschaft behandelt. Auch sie galten als potentielle Gefährdung der sozialistischen Ordnungsgesellschaft. Die Staats­macht musste sich ihrer deswegen ebenso umfassend annehmen wie eingeborenen Mitmenschen.

  • ZdF Nr. 31/2012
    Bd. 31 Nr. 31 (2012)

    Das Thema dieses Heftes lautet „Im Gewahrsam". Spätestens mit dem 13. August 1961 wurde offenbar, dass die SED sich ermächtigt fühlte, die gesamte Bevölkerung der DDR in ihren Gewahrsam zu nehmen. Um der kommunistischen Zukunft willen, wurden die Bürger des SED-Staates in Haftung genommen. „Störfrei“ sollte hinter Mauer und Stacheldraht das bessere Deutschland errichtet werden. Immer wenn dabei etwas schief ging, war dafür „der Gegner“ und seine Diversion verantwortlich. Die Irregeführten landeten dann zur Besserung im engeren Gewahrsam der DDR-Sicherheitsorgane. Zu diesen "Gewahrsamsnahmen" finden sich mehrere Beiträge und Zeitzeugenberichte in dieser Ausgabe der Zeitschrift des Forschungsverbundes SED-Staat.

  • ZdF Nr. 30/2011
    Bd. 30 Nr. 30 (2011)

    Das Thema dieses Heftes ist „Das Räderwerk der Geschichte“. Manche hat es hochgezogen und manche zerbrochen. Diejenigen, die glaubten, das Räderwerk im Griff zu haben, waren von ihrer Mission überzeugt. Manche von ihnen, die sich oben auf fühlten, gerieten unter die Räder. Den Biographien von Aktivisten und Bürokraten des Weltbürgerkriegs im 20. Jahrhunderts widmet sich der Schwerpunkt dieser ZdF-Ausgabe.

  • ZdF Nr. 29/2011
    Bd. 29 Nr. 29 (2011)

    Die „Grenzen des Sozialismus" verliefen durch Deutschand und Europa auf verschiedene Ebenen, aber auch durch den Alltag jedes Einzelnen. Studenten, die diese Grenzen nicht akzeptieren wollten, Köche, welche sich mit kulinarischen Grenzen konfrontiert sahen und die „kleine Flucht" in den Urlaubstagen in Bulgarien, all das sind Beispiele für die verschiedenen Aspekte denen sich der aktuelle Schwerpunkt widmet. Daneben gibt es auch Aktuelles zu berichten, die Konferenz „From Revolution to Transformation: Egypt 2011/ Germany 1989”, welche am 8. Mai in Kairo stattfand, ist Thema der neuen Ausgabe.

  • ZdF Nr. 28/2010
    Bd. 28 Nr. 28 (2010)

    Wer sich als DDR-Bürger bei einem Besuch der „Hauptstadt der DDR“ dem Brandenburger Tor näherte und durch die Säulen gen Westen blickte, war mit seinen Gedanken schnell bei der „Goldelse“, am Bahnhof Zoo und am Ku’damm. Die Gedanken waren so frei, die Realität in der Mitte Berlins freilich nicht. Sie setzte allem, was mehr als ein Gedankenflug hätte werden können, unüberwindliche Grenzen. Erst am Abend des 9. November 1989 war Schluss damit, und eine massenhafte Grenzüberschreitung, wie sie selbst allerkühnste Träumer kaum noch für möglich gehalten hatten, nahm ihren Lauf.

    Allerdings waren Grenzüberschreitungen in der Vergangenheit fast nie so friedlicher Natur, wie jene, die am 9. November 1989 das Ende der deutschen Teilung einleitete. Im Gegenteil: Das belegen die anderen Grenzüberschreitungen, denen sich die Schwerpunkttexte dieser ZdF-Ausgabe zuwenden.

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