Bd. 27 Nr. 27 (2010): ZdF Nr. 27/2010
Künstler, selbst wenn man sie Staatskünstler heißt, waren selten so borniert, dass sie wirklich glaubten, die Weltgeschichte laufe auf die letzte große Schlacht hinaus, die nur einen Sieger kennen werde: den Sozialismus. Statt des letzten Gefechts wartete, historisch betrachtet, allzu oft das letzte Gericht auf die Akteure. So hat es Werner Tübke der SED ins großformatige Stammbuch geschrieben. Das Jüngste Gericht auf der Titelseite dieser Ausgabe ist Teil des Monumentalgemäldes im Panoramamuseum nahe der Stadt Bad Frankenhausen im Thüringischen. Dort, wo ein naiver Thomas Müntzer 1525 aufgebrachte Bauern in eine aussichtslose Schlacht führte, wollte die SED ihr Verständnis von den „Triebkräften der Geschichte“ auf über 1700 Quadratmetern Leinwand verherrlicht sehen. Statt dessen schuf Tübke eine oft schwer begreifliche Allegorie, die sich der parteilichen Deutung entzieht. Nicht das letzte Gefecht, auch nicht die unverdorbene Utopie, sondern das Gericht ist häufig genug der Ort, an dem darüber entschieden wird, welches Recht und welche Ordnung herrschen. „Recht und Ordnung“ ist der Schwerpunkt dieses Heftes.